Der Schriftsetzer
... ein Beruf, der 500 Jahre gelehrt wurde!
Wer als Handsetzer ausgebildet wurde, durchlief eine dreijährige Lehrzeit. Aufgenommen wurde, wer über eine gute Rechtschreibung verfügte, ebenso gut in Mathematik war und künstlerische Fähigkeiten besaß.
Ganz entscheidend war: man durfte kein Linkshänder sein!
Um einer Bleivergiftung vorzubeugen, bekam man in der Lehrzeit einen halben Liter Vollmilch zum Frühstück.
Als erstes musste man die Belegung des Setzkastens erlernen. Das erforderte viel Geduld und Übung und brauchte Zeit, um blindlings den gewünschten Buchstaben aus dem Fach zu greifen. Geprüft wurde, wie viel Buchstaben man in einer Stunde setzte und das möglichst fehlerfrei. Ein solcher Setzer hatte einen guten Griff.
Wenn ein Prospekt oder Anzeige zu setzen war, bekam man ein Manuskript, vielleicht noch eine Abbildung und musste die Schriftgröße ausrechnen, um den vorgegebenen Raum passgerecht auszufüllen.
Als Brotschriften wurden in der Regel normal breite Werksatzschriften für den Mengensatz in den Lesegrößen Korpus (9) bzw. Garamond (10 Didot) verwendet.
Das Schlimmste, was einem Setzer passieren konnte, einen Eierkuchen zu produzieren. Ein Missgeschick – ein mit viel Mühe zusammen gebauter Schriftsatz fällt zu Boden und teilt sich in seine Bestandteile auf. Das durfte nur einmal passieren, sonst wurde man in den Sack gehauen, das hieß, man flog raus.
Ein anderer Bereich war das Setzen von Tabellen. Sie musste vom Setzer genau ausgerechnet werden, so das Lettern, Linien und Blindmaterial die vorgegebene Satzbreite und Höhe ergaben. Zuerst wurde der Tabellenkopf gesetzt.
Bei einer großen Anzahl von Querlinien wurde eine zweite Form gebaut und was man sich heute nicht vorstellen kann, es war ein zweiter Druckgang erforderlich.
Was auch zum täglichen Handwerk des Setzers gehörte war der Umbruch. Das Umbrechen von Textzeilen, Kolumnen (Satzspalten) und Seiten unter Berücksichtigung orthografischer und typografischer Regeln. Alternative Bezeichnung „Mettage“.
Um ein Plakat zu setzen, verwendete man Holzbuchstaben, die zusammen mit Bleibuchstaben verbaut wurden. Das ergab eine riesige Form, die mit viel Blindmaterial schwer zu händeln war.
Jedes Handwerk hat seine eigene Sprache und hört sich wie Jägerlatein an. Der Sinn und Ursprung sind heute vergessen. Man sprach beim Setzen von Hochzeit und Leiche. Man hatte also ein Wort doppelt gesetzt oder ein Wort vergessen. Hurenkind und Schusterjunge waren beim Umbruch tunlichst zu vermeiden. Als Hurenkind bezeichnet man die letzte Zeile eines Absatzes, wenn sie am Beginn einer Spalte vorkommt, als Schusterjunge die erste Zeile eines Absatzes, wenn sie allein am Ende einer Spalte oder fertig umbrochenen Seite steht.
Ein Teil des Handwerkes war das Ablegen des Satzes. Zur Wiederverwendung der Schrift mussten die Lettern in den Setzkasten zurückgelegt werden, hier war besondere Sorgfalt unabdingbar. Hier konnte sich ein Zwiebelfisch einschleichen, indem man eine falsche Schriftart einsortierte.
Das Ausschlachen hat nichts mit dem Fleischerhandwerk zu tun. Es bedeutet, die in einem Satz enthaltenen verschiedenen Schriftarten und das Blindmaterial von einander zu trennen.
Beim Ende seiner Ausbildung und bestandener Prüfung wurde der Delinquent vom Gautschmeister in die Bütt gesetzt und kräftig mit Wasser getauft und in die Gesellen-Runde aufgenommen. Der Einstand kostete manchmal den ersten Lohn.
Text und Bilder: Werner Marx